Seine Kollegen wandern nach Rom, Wien oder auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Er will ausbrechen. Mit geschlossenen Augen tippt er auf einer Deutschlandkarte auf eine Region — es ist der Thüringer Wald. Auch dort überlässt er alles dem Zufall. Er steigt an einem beliebigen Bahnhof aus, versehen mit Rucksack, wetterfester Kleidung und Wasserflasche, und läuft einfach los. Als er eine erste Rast einlegen will, setzt er sich auf eine Bank vor einem kleinen Siedlungshaus. Schon tritt eine alte Frau heraus, erfreut, jemandem zum Ratschen zu haben, eine Witwe, vereinsamt. Auch bei seiner zweiten Rast läuft es so: Elsbeth, eine gealterte, einsame Witwe bewirtet und bemuttert ihn. Er darf sogar im Zimmer ihres «rübergemachten» Sohnes übernachten. Ihr einziges Fenster zur Welt — ein überdimensionaler riesiger Fernsehschirm, Geschenk ihrer Kinder. Er wandert weiter, Regen zwingt ihn, sich in einem Bus-Wartehäuschen unterzustellen. Aber es verkehrt schon lange kein Bus mehr. Eine Frau, die in einem kleinen Auto vorbei kommt, sieht ihn und lässt ihn einsteigen. Auch sie ist, obwohl erst mittleren Alters, Witwe. Auch sie ist erfreut, mit jemandem reden zu können. Als Psychotherapeutin fährt sie zu ihren Patientinnen hin, anders geht es nicht. Es sind durchweg Witwen, die ihre Hilfe brauchen. Der Landstrich abseits der größeren Städte ist Witwenland, teils durch Tod des Partners, Abwanderung oder Trennung. Am nächsten Tag begleitet der Wanderer die Frau auf ihrer Fahrt zu Patienten; dann steigt er doch wieder aus, um weiter zu wandern — ziellos durch den Witwenwald. Er verläuft sich, wird von einer Pilzsammlerin gerettet. Ein Gasthaus, in dem er eine Notunterkunft angeboten bekommt, erweist sich als Therapiezentrum für vereinsamte, depressive, alkoholsüchtige Witwen — betreut von eben “seiner” Psychotherapeutin. Sie holt ihn dort raus.